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      Alleinerziehend

      Alleinerziehende: Auch wir sind eine Familie!

      Mutter, Vater, Kind – früher galt das als das „klassische“ Familienmodell. Heute ist es nur noch eines von vielen: Es gibt Patchworkfamilien, Regenbogenfamilien, Pflegefamilien, Co-Elternschafts-Modelle. Nicht zu vergessen: die 2,76 Millionen Väter oder Mütter in Deutschland (2022), die eines oder mehrere Kinder allein aufziehen – manche auch von Anfang an. Auch sie bilden selbstverständlich eine Familie. Eine Familie, in der die getrennten Eltern eine besondere Verantwortung tragen und alle Beteiligten vor besonderen Herausforderungen stehen.

      So vielfältig Familien sind, so unterschiedlich sind auch Trennungsfamilien. Unterschieden wird zwischen Alleinerziehenden – die Kinder leben im Wesentlichen bei einem Elternteil – und getrennt Erziehenden. Diese teilen sich die Betreuung der Kinder gemeinschaftlich, auch wenn sie nicht mehr zusammenleben. Je nachdem, für welches Betreuungsmodell ihres Kindes bzw. ihrer Kinder sich die getrennten Eltern (hoffentlich einvernehmlich) entscheiden, müssen sie Aufgaben und Verantwortlichkeiten ganz oder zeitweise aufteilen. Klar ist: Ob Residenzmodell, Wechselmodell oder Nestmodell – das ideale Betreuungsmodell gibt es nicht (weitere Infos zu den Modellen findet ihr hier)
      Eltern können also nur versuchen, das für ihre Situation passende Betreuungsmodell zu finden. Immer im Blick sollten sie das Wohlbefinden des Kindes behalten. Bei Trennung und Scheidung ist es wichtiger denn je, an dieser Richtschnur kommende Entscheidungen auszurichten. Auch wenn sie keine Partner mehr sind: Die Eltern bleiben durch ihr Kind für immer miteinander verbunden und müssen ihren Weg als getrennte Familie finden.

      In diesem Artikel soll es vor allem um die Situation Alleinerziehender gehen. Eine Aufgabe, die hierzulande sehr häufig die Frauen stemmen: Acht von zehn Alleinerziehenden in Deutschland sind laut aktuellen Erhebungen Mütter. Und nur wenige von ihnen haben sich im Vorfeld bewusst für eine Solo-Mutterschaft entschieden.

      Mutter mit Kind

      Alleinerziehende stehen vor großen Herausforderungen 

      Ein Kind bekommt man in der Regel als Paar. Doch manchmal halten Beziehungen nicht und zerbrechen aus den unterschiedlichsten Gründen. Womöglich zählt auch ihr zu den Eltern, die vielleicht aus dem Nichts heraus plötzlich alleinerziehend sind. Eine immense Herausforderung und emotionale Belastung: Von jetzt auf gleich liegt so viel Verantwortung (je nach Engagement des zweiten Elternteils) weitgehend bei euch und ihr fühlt euch mit vielem womöglich allein gelassen und vielleicht auch überfordert.

      Und über allem schwebt der finanzielle und der Betreuungsdruck, der plötzlich hauptsächlich auf euren Schultern lastet. Wie kommen wir ohne ein zweites verfügbares Einkommen klar? Zahlt der oder die Ex regelmäßig Unterhalt? Aber auch „nur“ die alltäglichen Herausforderungen, die das Leben mit Kind mit sich bringt, können Alleinerziehenden alles abverlangen: rund um die Uhr für einen kleinen Menschen verfügbar zu sein, für ihn zu sorgen, ihn emotional aufzufangen, mit ihm zu spielen, in den Schlaf und durch die Nacht zu begleiten.

      War der ursprüngliche Plan womöglich der, sich als Eltern Verantwortung und Aufgaben mit Kind zu teilen, steht ihr in eurem Alltag mit dem kleinen Menschen plötzlich allein da. Herausforderungen, die man sich früher spontan aufteilen konnte – etwa die Betreuung des Kindes an Krankheitstagen –, müssen nun meistens allein bewerkstelligt werden. Um als Einelternfamilie gut zu funktionieren, sind Organisation und gutes Zeitmanagement ein absolutes Muss. Auch weil Alleinerziehende oftmals aus der finanziellen Not heraus schnell wieder in ihren Job zurückkehren müssen. Die kräftezehrende Balance zwischen Arbeit und Zeit fürs Kind ist ein großer Zwiespalt, der auf vielen alleinerziehenden Eltern lastet. Oft geben sie ihr Kind deshalb deutlich früher in eine Fremdbetreuung, als sie das unter anderen Lebensumständen geplant hatten. Auch das kann emotional herausfordernd sein.

      Habt ihr nach eurer Trennung ein gemeinsames Sorgerecht, so müsst ihr zumindest in allen zentralen Entscheidungen rund ums Kind zusammen zu einer Entscheidung finden – etwa bei einem Schulwechsel oder einer nötigen Operation. Gar nicht so leicht, mit demjenigen an einen Tisch zu kommen, von dem man sich gerade erst frisch getrennt hat bzw. von dem man womöglich verlassen wurde.

      Mutter spielt mit ihrem Kind

      Alleinerziehende können jede Form der Unterstützung gebrauchen

      Hoher finanzieller Druck, ein höheres Krankheitsrisiko und schlechtere Chancen auf dem Arbeitsmarkt – Alleinerziehende kämpfen an vielen Fronten und sind häufig benachteiligt gegenüber Eltern, die in einer Beziehung leben. Hinzu kommt bei vielen Alleinerziehenden auch noch das schlechte Gewissen, weil sie permanent das Gefühl haben, sich nicht ausreichend um ihr Kind kümmern zu können, oder aufgrund des hohen Drucks, den gesamten Alltag allein wuppen zu müssen, geistig nicht immer in der Form anwesend sein können, wie sie es gerne wären. Viele Alleinerziehende empfinden ihre Rolle als eine ständige Zerreißprobe, bei der selten mal eine ruhige Minute für sie selbst bleibt.

      Deshalb ist völlig klar: Alleinerziehende Elternteile können jede Form von Unterstützung – zwischenmenschliche, finanzielle ebenso wie gesellschaftspolitische – gut gebrauchen. Nicht nur, um selbst gesund zu bleiben, sondern auch zum Wohl des Kindes: Studien zeigen, dass die Gesundheit des Kindes stark von der Gesundheit der Eltern abhängt und umgekehrt. Anders gesagt: Geht der betreuende Elternteil nervlich zu Fuß, geht dies auch am Nachwuchs nicht spurlos vorbei.

      Alleinerziehende Elternteile: So wichtig ist ein gutes Netzwerk

      Was jedem alleinerziehenden Elternteil hilft, ist ein gutes, funktionierendes Netzwerk, das euch auffangen kann, wenn es zu Engpässen kommt: etwa wenn ihr krank werdet oder sich ein Arbeitstermin nicht verschieben lässt.

      Vielleicht kommt dafür euer direktes Umfeld infrage: Können Familie, Freunde oder vielleicht sogar Nachbarn einspringen oder womöglich an festen Terminen in der Woche etwas Zeit für euch freischaufeln? Im Gespräch mit Menschen aus eurem unmittelbaren Umfeld tun sich manchmal ungeahnte Möglichkeiten auf: Die Nachbarin unterstützt vielleicht bei der Kinderbetreuung, während ihr den Einkauf für sie miterledigen könnt. Hilfreich kann es auch sein, Kontakt zu anderen Eltern oder Alleinerziehenden in ähnlichen Situationen zu suchen und eure Kräfte zu bündeln – beispielsweise bei der Betreuung der Kinder. Oft ist das eine Win-win-Situation für alle.

      Armutsrisiko Einelternfamilie: Das steht Alleinerziehenden finanziell zu 

      Wer ein Kind allein aufzieht, hat häufig mit finanziellen Sorgen zu kämpfen. Gerade Elternteilen, die in Teilzeit arbeiten, fehlt es oft an Geld. So ist bei einem Kind, das hierzulande bei einer alleinerziehenden Mutter aufwächst, trotz Kindergeld oder Unterhaltspflicht – welches auch nicht jede Alleinerziehende erhält – die Wahrscheinlichkeit deutlich höher, unter der Armutsgrenze zu leben, als bei Kindern, die mit zwei Elternteilen groß werden. Das erhöhte Armutsrisiko hat oft negative Folgen für die Kinder: Sie werden häufiger ausgegrenzt, etwa weil sie sich aufgrund der angespannten finanziellen Situation im Elternhaus eben nicht alles leisten und am Freizeitprogramm „der anderen“ teilhaben können. Zudem zeigen Studien, dass Kinder aus ökonomisch benachteiligten Familien sich statistisch gesehen häufig selbst weniger zutrauen, ihre Fähigkeiten schlechter einschätzen und sich in der Schule oft schwerer tun.

      Umso wichtiger ist es, dass ihr als Alleinerziehende alle Finanzierungsmöglichkeiten ausschöpft, die euch hierzulande zustehen. Zunächst einmal ist das der Unterhalt des jeweils anderen Elternteils, der sich nach dem Verdienst des Elternteils und dem Alter des Kindes richtet. Die genaue Staffelung ist in der sogenannten Düsseldorfer Tabelle verzeichnet. Zusätzlich zum Unterhalt hat das Kind Anspruch auf Sonder- und Mehrbedarf. Der unterhaltspflichtige Elternteil muss sich z. B. an den Kosten für Operationen oder Klassenfahrten beteiligen. Mütter und Väter, die ihr Kind ohne Partner großziehen, können zunächst einmal 14 Monate Elterngeld bekommen. Wenn Alleinerziehende vor der Geburt des Kindes berufstätig waren, beträgt das Elterngeld 65 bis 67 Prozent des entfallenden Einkommens (max. 1.800 Euro). Liegt das Netto-Einkommen unter 1.000 Euro, können das bis zu 100 Prozent sein.

      Übrigens: Wer sich bewusst dafür entscheidet, ein Kind ohne Partner zu bekommen, kann viele dieser Finanzierungsmöglichkeiten nicht nutzen. Solo-Mütter (hier haben wir eine von ihnen interviewt) müssen bei der Kinderwunschbehandlung unterschreiben, dass sie verstanden haben, dass niemand unterhaltspflichtig ist. Auch die Kosten für eine Kinderwunschbehandlung werden nur für (verheiratete) Paare übernommen, für Alleinstehende nicht.

      Müttern und Vätern, die Kinder unter drei Jahren versorgen und deshalb keiner Erwerbstätigkeit nachgehen können, steht ein Betreuungsunterhalt des anderen Elternteils zu. Gibt es allerdings niemanden, der Unterhalt zahlt, oder ist die Vaterschaft ungeklärt, kann der Alleinerziehende einen Unterhaltsvorschuss für das minderjährige Kind beim Jugendamt beantragen. Neben dem vollen Kindergeld, das ihr als Alleinerziehende für die Kinder erhaltet, steht euch ein spezieller Steuerfreibetrag zu, der eure Steuerbelastung senkt. Alleinerziehende, die Arbeitslosengeld II oder Sozialhilfe erhalten, können zusätzlich einen sogenannten Mehrbedarfszuschlag für ihre Kinder beantragen. Der genaue Betrag richtet sich nach Alter und Anzahl der Kinder. Alleinerziehende mit geringem Einkommen, die keine staatlichen Leistungen in Anspruch nehmen, können außerdem einen Kinderzuschlag von maximal 170 Euro pro Monat sowie Wohngeld beantragen.

      Solo Papa

      Geld allein hilft auch nicht weiter – Unterstützungsangebote für Alleinerziehende

      Ihr werdet plötzlich krank. Wer kümmert sich dann um Haushalt und Kind? Im Notfall können Alleinerziehende eine Haushaltshilfe auf Rezept bei der zuständigen Krankenkasse beantragen. Gerade nach der Entbindung eures Kindes könnt ihr die tatkräftige Unterstützung im Haushalt sicher gut gebrauchen. Werden die Belastungen des Alltags zu groß, ist vielleicht ein Kuraufenthalt – mit oder ohne Kind – eine Chance, um wenigstens für einige Wochen mal wieder Kraft zu tanken und die leeren Batterien aufzuladen. Wichtig: Euer behandelnder Arzt muss die Notwendigkeit einer Kur bescheinigen.

      Bundesweit gibt es außerdem sogenannte Familienferienstätten, die von Wohlfahrtsverbänden betrieben werden, und vor allem Familien, aber auch Alleinerziehenden mit geringen finanziellen Möglichkeiten einen erholsamen Urlaub bieten. Neben den Jugendämtern erhalten Alleinerziehende bei Wohlfahrtsverbänden und gemeinnützigen Vereinen wie dem Verband alleinerziehender Mütter und Väter (VAMV) Beratung und Information. Dort weiß man, wo es Fördermittel gibt. Die Mitarbeiter kennen Hilfsangebote vor Ort, wie beispielsweise Notmütter, die im Fall eines Betreuungsengpasses vermittelt werden. Und auch die Mütter und Väter, die nicht das Sorgerecht haben, sind nicht aus der Pflicht. Stichwort Unterhaltspflicht oder Umgangsrecht

      Eine Alleinelternschaft birgt auch Vorteile

      Ein Umfeld, in dem ein Kind täglich spürt, dass das Verhältnis seiner Eltern angespannt ist, in dem vielleicht viel gestritten, geweint oder laut und wütend miteinander gesprochen wird, ist sicher nicht der Nährboden für eine glückliche Kindheit. Auch wenn ihr euch für euch und euer Kind bzw. eure Kinder wahrscheinlich einen anderen Weg gewünscht habt: Eine Alleinelternschaft birgt auch Chancen. Gerade für euer Kind. Das Fehlen (bzw. häufige Abwesendsein) einer Elternfigur stärkt in den meisten Fällen die Zuneigung zum vorhandenen Elternteil. Durch eure verlässliche 1:1-Begleitung erhält es optimale Voraussetzungen, Vertrauen in sich und die Welt aufzubauen, eben: eine sichere Bindung zu entwickeln. Gleichzeitig stellt es euch aber auch vor die Herausforderung, als wichtigste Bezugsperson des Kindes all seine Emotionen auffangen zu müssen: Gerade dann, wenn das Verhältnis zum anderen Elternteil vielleicht immer noch schwierig oder sogar inexistent ist, kann dies mitunter sehr herausfordernd sein. Erleichternd für Alleinerziehende ist es hingegen, dass sie Erziehungsfragen sowie viele kleine Entscheidungen des Alltags – etwa: „Machen wir spontan Urlaub an der See?“ oder: „Erlauben wir dem Kind noch ein Eis, obwohl es schon Kuchen hatte?“ – allein treffen können und somit viele Diskussionen ausbleiben, die in anderen Familien auf der Tagesordnung stehen.

      Und auch, wenn die Konstellation als Kleinstfamilie sicher viele extrem herausfordernde Momente für den Alleinerziehenden bereithält: Wer jeden Tag so viel Verantwortung übernimmt, eigenständig Lösungen findet, flexibel handeln muss, der wächst als Mensch und Persönlichkeit. Der traut sich mit hoher Wahrscheinlichkeit mehr zu, glaubt mehr an sich selbst und geht gestärkt aus dieser Rolle hervor.

      Bewusste Entscheidung: Alleinerziehend als Solo-Mama

      Trotz all der Herausforderungen, mit denen Alleinerziehende zu kämpfen haben, gibt es auch Frauen, die sich bewusst dafür entscheiden, ohne einen festen Partner an ihrer Seite ein Kind zu bekommen – etwa über eine Samenspende oder den Weg der Adoption. Katrin Alberding ist eine „Solo-Mama by Choice. Mit uns hat sie über ihre bewusste Entscheidung, Herausforderungen und Chancen der Solo-Mutterschaft im Interview gesprochen.

      Solo-Mama by Choice zu sein, bedeutet bewusst den Kinderwunsch ohne Partner über eine Samenspende umzusetzen. Was für Paare schon längst ein erschlossener Weg ist, wurde erst 2018 für Alleinstehende rechtlich entschärft. Seitdem entscheiden sich immer mehr Single Frauen dafür – so auch Start-up-Gründerin Katrin Alberding. Hier erzählt sie von den Herausforderungen und Chancen der Solo-Mutterschaft und wieso sie sich immer wieder für diesen Weg entscheiden würde.

      Hat dich der Kinderwunsch schon dein ganzes Leben begleitet?

      Ja, das war für mich immer ein sehr klarer Wunsch und ich bin dankbar dafür, dass ich daran niemals Zweifel hatte.

      Wie schwer fiel dir die Entscheidung, deinen Kinderwunsch letztlich ohne einen festen Partner umzusetzen? 

      Am Ende gar nicht so schwer, weil es keine Entscheidung ist, die man mal eben über Nacht trifft, sondern eine, an die man sich über lange Zeit herantastet. Zumindest war das bei mir so. Es sind eher viele kleine Schritte und Entscheidungen, die am Ende zu einer Solo-Mutterschaft führen: Ob es die erste Google-Suche ist, der erste Gesprächstermin in der Kinderwunsch-Klinik, die gesetzlichen Beratungen, die Gespräche mit Freunden und Familie, die Auswahl der Samenbank und des Spenders – an jedem dieser Punkte entscheidet man sich ja jedes Mal neu und bewusst, ob man sich darauf einlässt und bereit ist, den nächsten Schritt zu gehen – oder eben nicht.

      Wie viel Zeit hast du dir für die Entscheidungsfindung genommen?

      Obwohl mein erstes „Ja“ zur Informationssuche rund um das Thema schon knapp zehn Jahre zurücklag, hat der aktive Weg bis zum ersten Schwangerschaftsversuch dann fast 1,5 Jahre gedauert. In dieser Zeit habe ich auch immer wieder nachjustiert, wenn sich etwas nicht richtig angefühlt hat. Solo-Mama zu werden, ist alles andere als ein geradliniger Weg: Ich habe mir mehrere Kliniken angeschaut, auch die Klinik gewechselt und mir bei der Auswahl des Spenders sehr viel Zeit gelassen, bis es sich 100 % richtig anfühlte. Diesen Prozess brauchte ich, weil ich mir auch selbst erst einmal selbst klar darüber werden musste, was mir wichtig ist und die Zeit dafür haben, sich wirklich in alles reinzudenken.

      Welche Sorgen und Ängste hattest du in Bezug auf eine Solo-Mutterschaft? Und wie bist du damit umgegangen?

      Am meisten Sorgen haben mir die vielen Unbekannten gemacht, die da auf mich zukamen. Das war mit Kontrollverlust auf einigen Ebenen verbunden, mit dem man umgehen muss. Ganz viele meiner Sorgen betrafen das Thema Gesundheit:

      • Was, wenn es nicht klappt?
      • Was, wenn ich das Kind verliere?
      • Wie gehe ich damit alleine um?

      – Ich glaube, es ist noch einmal etwas anderes, diese Trauer nicht mit einem Partner verarbeiten zu können. Aber auch: Was, wenn mein Kind krank ist? Durch meinen Bruder, der an einer körperlichen Behinderung leidet, kenne ich die Auswirkungen eines solchen Szenarios gut, und ich wollte dafür bestmöglich gewappnet sein. Und dann natürlich auch die Frage: Was, wenn ich selbst krank werde und mich nicht um mein Kind kümmern kann? Was mir Mut gemacht hat, war mich aktiv mit solchen Gedanken auseinanderzusetzen – auch wenn sie unangenehm sind –, und Lösungsansätze dafür zu finden, bevor diese Szenarien überhaupt eintreten. Und mir war es wichtig, zu wissen, dass ich mein Bestes tue, dass so etwas gar nicht erst eintritt.
      Als Gründerin eines Start-ups war ich natürlich auch besorgt, welche Auswirkungen eine Schwangerschaft für meine Arbeit haben würde: Mein Job ist schließlich die einzige Einkommensquelle für unsere kleine Familie und ich habe immer gerne gearbeitet. Mir war es klar, dass ich weiter dabei sein möchte. Ein echtes Bauchwehthema: Wir befanden uns gerade in einer Fundraising-Runde, als ich dann 2021 tatsächlich schwanger wurde, und ich hatte Sorge, dass der neue Investor abspringen würde, wenn ich nun mit Schwangerschaft um die Ecke kommen würde. Um gut vorbereitet zu sein, habe ich mir den Rat eines vertrauten Investors eingeholt und andere Frauen gesucht und gefunden, die als Gründerinnen Mutter geworden sind, und sie gefragt, wie sie das damals gesteuert haben. Die Kommunikation mit den Investoren bin ich dann sehr proaktiv angegangen und habe viele Informationen und Pläne vorgelegt, bevor die Frage danach kommen konnte. Und ich habe den Vorstand auf eine längere Abwesenheit vorbereitet, als ich vorhatte zu nehmen und am Ende auch genommen habe, was mir sehr viel Raum geschaffen hat.

      War für dich direkt klar, auf welchem Weg du dir deinen Kinderwunsch erfüllen möchtest?

      Nein. Ich habe mir über einen recht langen Zeitraum immer wieder verschiedene Wege angeschaut – u. a. auch die Co-Elternschaft, die Adoption und eine private Samenspende. Sicher gab es auch einige Freunde, die vorschlugen, einfach eine Beziehung einzugehen, auch wenn der Partner nicht der Richtige ist, oder einfach die nächste Bar aufzusuchen. Diese Optionen kamen nie für mich infrage – aber es hat mir doch deutlich gezeigt, wie viel akzeptabler es zu sein scheint, so was zu tun, statt den geplanten Solo-Mutterschafts-Weg zu gehen.

      Warum sind alle anderen Optionen außer der Samenspende für dich ausgeschieden?

      Aus verschiedenen Gründen. Zum Thema Co-Elternschaft war ich eine Weile lang auf der Plattform „Familyship“ unterwegs. Dort sind Männer in drei verschiedenen Set-ups angemeldet: „Yes-Spender” (Kind kennt die Identität des Spenders, aber der Spender hat keine aktive Rolle im Leben des Kindes), „Onkel-Spender” (mit gelegentlicher Rolle im Leben des Kindes, aber keiner wirklichen Verantwortung) und „Co-Vater” (in der Vaterrolle). Ich habe mit allen drei Varianten gesprochen und bin zu dem Schluss gekommen, dass für 1 und 2 auch eine normale Spende infrage kommt, dass dies sogar sicherer und die Rechtslage besser geklärt wäre. Und in Bezug aufs Co-Parenting war für mich schnell klar, dass es sehr schwierig ist, mit einem Unbekannten ein Kind zu zeugen und die Verantwortung zu teilen, ohne dass man eine gemeinsame Lebensbasis hat oder Zuneigung füreinander verspürt.

      Ich hatte da wirklich die absurdesten Gespräche und habe mich nach einiger Zeit dagegen entschieden. Auch eine Adoption war eine Option, aber dann habe ich erfahren, dass es in Deutschland viel mehr interessierte Familien als Kinder gibt, die ein Zuhause suchen. Die Privatspende habe ich auch mit einem sehr guten Freund ernsthaft überlegt und mehrfach durchgesprochen. Wir haben uns dann aber beide bewusst dagegen entschieden, weil es klar war, dass wir keine Familie bilden würden. Außerdem sind die Grenzen in Erziehungsfragen – insbesondere auch emotional – extrem schwer zu ziehen. Kein Mensch weiß vorher, wie er oder sie sich wirklich fühlt, wenn das Kind dann wirklich da ist. Das ist kein Experiment, dem ich mein Kind aussetzen wollte. Zudem stellt sich auch die Frage, wie ein momentaner oder zukünftiger Lebenspartner der jeweils anderen Person so ein Set-up finden würde. Und auch die Frage, wie man dem Kind dann erklärt, dass man zwar befreundet ist, es aber für eine Familie nicht gereicht hat, empfand ich als sehr schwierig.

      Du hast dir für deine Entscheidung viel Zeit genommen. Erzähl doch einmal: Wie hast du dich über die Solo-Mutterschaft und Samenspenden informiert?

      Ganz wichtig war der Austausch mit Experten und mit Kinderwunsch-Kliniken, die Solo-Müttern gegenüber aufgeschlossen sind. Das war ein wichtiges Learning: Viele lehnen die Behandlung von Solo-Frauen ab. Die aufgeschlossensten Kliniken habe ich in Berlin, München und Hamburg gefunden. Darüber hinaus habe ich Kontakt mit Spermabanken in den USA, Dänemark und Deutschland gehabt, die alle etwas anders funktionieren und verschiedene Einblicke in den Prozess anbieten. Super hilfreich war auch der Austausch mit „bekannten” Solo-Müttern oder der Besuch ihrer Websites, die Interessengruppen, Webinare und Beratungen anbieten und viele Infos online teilen: etwa Katharina Horn, Hanna Schiller, Jennifer Sutholtoder Katrin Förster.

      Zuletzt sind aber auch rechtliche und sozial-psychologische Beratungen eine Voraussetzung für eine Solo-Mutterschaft und meine Erfahrung ist: Diese Angebote helfen sehr, um Fragen loszuwerden und sich auch über Themen Gedanken zu machen, die man vorher vielleicht gar nicht auf dem Schirm hatte. Es wird hier z. B. darauf aufmerksam gemacht, dass man als einzige Frauengruppe in Deutschland kein Anrecht auf Unterhaltszahlungen hat, auch nicht vom Staat. Bei Frauen, die durch eine unbekannte Liebschaft schwanger geworden sind, ist das übrigens anders – sie werden vom Staat bei nachweisbaren Bemühungen den Vater zu finden, aufgefangen. Das ist tatsächlich kein unerheblicher Faktor für Solo-Mütter, der immer wieder als diskriminierend angefochten wird. Denn er bestraft Jene, die den regulierten Weg gehen und die die Samenspende registriert über die Klinik beziehen. Das summiert sich auf einen finanziellen Verlust von weit über 110.000 EUR netto pro Kind in den ersten 18 Jahren des Kindes, die ausschließlich nur Solo-Müttern nicht zugesprochen werden.

      Überhaupt ist es sehr wichtig, sich über die finanziellen Konsequenzen klar zu werden. Diese sind für wirklich Alleinstehende Einzelverdiener, ohne Ehegattensplitting, Partner-Benefits und die Möglichkeit, wirklich Elternzeit zu nehmen, (leider) einfach nicht Ohne. Eine Liste von anerkannten Beratern für Solo-Mütter findet man u. a. hier. Das Unternehmen „Fertilly“ hat mir zudem sehr mit seinem Netzwerk geholfen. Mittlerweile gibt es auch den Verband für Solo-Mütter, der sich auch politisch für die Belange von Solo-Müttern und ihren Kindern stark macht. Zudem bieten die Solo-Mütter-Netzwerke auch immer wieder Kurse im Bereich der Finanzplanung an.

      Wie viele Gedanken hast du dir im Laufe dieser Zeit darüber gemacht, wie es deiner Tochter einmal mit ihrer Entstehungsgeschichte ergehen wird?

      Das Wissen über ihre Herkunft ist eines der wichtigsten Dinge, die ich Amelie mitgeben möchte. In der Uni hatte ich eine Freundin, die mit 23 durch Einsicht in ihre Geburtsurkunde nichtsahnend herausfand, dass ihr Vater gar nicht ihr leiblicher Vater war. Sie war vollkommen durcheinander und begann, ihre gesamten Erlebnisse und Beziehungen im Leben infrage zu stellen. Mit so einer Lüge aufzuwachsen, erscheint mir vollkommen unnötig und grausam. Das will ich für Amelie auf gar keinen Fall! Deshalb finde ich es gut, dass in Deutschland die anonyme Spende nicht mehr erlaubt ist. Sprich: Amelie hat später den rechtlichen Anspruch, die Kontaktdaten des Spenders zu erhalten und diesen zu kontaktieren.

      Wie weit dieser Kontakt dann geht, ist natürlich nicht vorgeschrieben, aber ich finde diese Möglichkeit unglaublich wichtig. Es gibt in einigen Samenbanken auch die Möglichkeit, eigene Kontaktdaten für die Kontaktaufnahme mit anderen Spenderfamilien freizugeben, sofern dies von beiden Seiten gewünscht ist. Über diesen Weg haben wir jetzt auch Kontakt zu der Familie von Amelies Halbschwester aufgenommen, und es ist einfach wunderbar, die beiden immer mal wieder zusammenzubringen und miteinander spielen zu sehen. Sie haben etwas Besonderes gemeinsam, worüber sie sich austauschen können werden, und das war uns als Eltern sehr wichtig. Darüber hinaus dokumentiere ich einfach unheimlich viel für Amelie seit der Schwangerschaft und rund um unsere Familie, so dass sie immer Antworten findet zu denen sie vielleicht Fragen hat. Ich denke, dass jeder Mensch ein Recht darauf hat, zu erfahren, wo er herkommt und dass es nicht zur Lebensaufgabe des Kindes werden darf, sich diese Herkunft mühsam zusammenzusuchen. Zwei Linktipps, die ich in diesem Kontext gerne teile, weil es hier viel um die anonyme Spende geht und darum, wie wichtig die Aufklärung für die Kinder ist: The world's biggest family - An anonymous sperm donor's legacy | DW Documentary) und "Anonyme Väter - Kinder bekommen mit Samenspende".

      Planung vs. Realität: Wie schnell bist du schwanger geworden? Und wie hast du die Schwangerschaft als Solo-Mama erlebt?

      Ich habe im Sommer 2021 mit den Versuchen begonnen und war darauf vorbereitet, dass es einige Anläufe brauchen wird. Je nach Art der Anwendung liegen die Chancen einer Schwangerschaft pro Versuch nur bei etwa 7 bis 20 %. Aber offenbar war Amelie bereit für die Reise – es hat sehr schnell geklappt.Ganz ehrlich: Als ich mich damals zum ersten Mal mit dem Thema Solo-Mutterschaft auseinandergesetzt habe, ging mir vor allem der Gedanke durch den Kopf, wie traurig es wohl sein würde, alleine schwanger zu sein. Damals dachte ich, es wäre furchtbar, diese Vorfreude nicht mit dem Partner teilen zu können. Irgendwie bekommt man das ja immer so eingebläut, dass die Partnerschaft diesen Zauber der Schwangerschaft ausmacht. Heute weiß ich, dass das nicht so ist. Ich habe das als eine ganz besondere Zeit zwischen mir und meiner Tochter wahrgenommen. Das hat sich überhaupt nicht alleine angefühlt.

      Den Geburtsvorbereitungskurs – noch so ein vermeintliches Pärchending – konnte ich „dank” Corona nur online besuchen. Ich musste tatsächlich etwas recherchieren, um einen reinen Frauenkurs zu finden, in dem der Vater nicht obligatorisch dabei sein muss. Natürlich werden diese Kurse nicht nur von Solo-Müttern besucht – ich war in meinem Kurs die einzige. Was mir am besten gefiel: Hier wurde nicht das Gefühl vermittelt, dass man einen Partner braucht, um sich für eine Geburt vorzubereiten. Auch in der Vorsorge habe ich gemerkt, dass es wichtig ist, Unterstützung zu finden, die Solo-Müttern gegenüber wohlgesonnen ist. Ich habe leider erlebt, wie das ist, wenn einem der Kinderwunscharzt sagt: „Ohne Partner mache ich Ihnen kein Kind. Ich kreiere hier doch keine Halbwaisen.“ Deshalb habe ich im Solo-Mütter-Netzwerk nach Gynäkologen gefragt und darüber eine wunderbare Ärztin gefunden, die selbst alleinerziehende Mutter ist und mich auf unserem Weg nicht nur auf der medizinischen, sondern auch auf der emotionalen Seite sehr unterstützt hat. Gleiches gilt für meine Hebamme. Auf dem ohnehin schon schwierigen, weil völlig überlasteten Berliner Markt die richtige Unterstützung zu finden – insbesondere in Abwesenheit einer permanenten Partnerunterstützung –, ist immens wichtig. Alles in allem fand ich es mühsam, mir dieses Netzwerk aufzubauen und zu koordinieren, denn man hat zwar ein Recht auf alles, aber aufgrund der hohen Auslastung der Fachkräfte kommt man an so ziemlich nichts und niemanden heran. Deshalb: früh anfangen und in alle Richtungen schauen!

      Wer war in der Schwangerschaft für dich der Halt, wenn es dir schlecht ging oder du dich alleine gefühlt hast?

      Mental ging es mir die ganze Zeit eigentlich sehr gut, weil ich mich so auf das Baby gefreut habe und ich diese Zeit total genossen habe. Ich glaube, voll im Alltag und im Job zu bleiben, hat mir gutgetan, weil man sich natürlich verändert und alles etwas beschwerlicher wird. Aber so hatte ich nicht so viel Zeit, um darüber nachzudenken. Außerdem war ich ständig unter Leuten und habe mich gar nicht alleine gefühlt. Mit zwei Ausnahmen: wenn ich schwere Sachen tragen musste. Da hätte ich mir schon mal gewünscht, einen Partner an der Seite zu haben. Und das Zweite, was mir alleine schwerfiel, war es, den Namen auszuwählen. Also habe ich gegen jeden guten Ratschlag alle meine Namensideen mit Freunden und im Büro geteilt – ich musste das einfach mal aussprechen und hören, und brauchte da einfach Feedback und den Gedankenaustausch.

      Physisch war die Schwangerschaft natürlich nicht durchgehend einfach. Das, was da passiert, ist beim ersten Kind ja auch recht schwer einzuteilen in „normal oder nicht normal“. Da tauscht man sich dann schon recht viel mit Freundinnen mit Kindern aus oder eben mit der eigenen Mama. Übrigens ist auch mein Bruder schon immer eine sehr große Inspiration gewesen, insbesondere als ich dann die physischen Limits erreicht hatte, mit denen er durch seine Körperbehinderung schon sein ganzes Leben kämpft. Er hat da immer ganz aufmunternde Gedanken. Auch mein Mitgründer, der der Patenonkel von Amelie geworden ist, hat mir im Business-Alltag immer den Rücken freigehalten. Für mich sehr beruhigend war auch, dass unsere Investoren und meine Kollegen sich sehr mitgefreut haben. Einer meiner Investoren hat Kontakte zu anderen Start-up-Müttern hergestellt, eine weitere teilt bis heute gerne ihre Mama-Erfahrungen mit mir. Es haben sich wirklich alle gekümmert und bemüht, mich aber gleichzeitig weiterhin als vollwertigen Business-Partner behandelt. Keiner hat von mir verlangt, dass ich von meinem Posten zurücktrete. Stattdessen hat man mir die Möglichkeit gegeben, die Zeit rund um die Geburt zu planen, wie ich es brauche. Das Büro hat sogar eine Baby-Party geschmissen. Außerdem hatte ich natürlich meine Freunde, die alle Hilfe angeboten und ermöglicht haben.

      Wie hast du letztlich die Geburt erlebt? Hattest du Unterstützung oder warst du allein?

      Zur Geburt ist meine Mutter nach Berlin gekommen. Sie war aber nicht im Kreißsaal dabei. Das wollte ich – so gern ich sie habe – irgendwie nicht. Sie hat mich aber hingefahren und sich in der Zeit um meine Wohnung und meine Hündin gekümmert. Für die Geburt selbst war nur eine Begleitperson erlaubt und ich habe mir meine wunderbare Doula Pauline dafür gesucht, die mich in der Geburtsplanung als auch bei der Geburt unterstützt hat. Für mich war sie so ein bisschen wie ein eigener Coach und ich würde es jeder Zeit wieder so machen. Besonders fand ich, dass Pauline obendrein total authentische Fotos vor und nach der Schwangerschaft gemacht hat, uns all die Zeit begleitet hat und mit mir dann auch das Geburtserlebnis hat Revue passieren lassen.

      Das fand ich sehr wertvoll, das nicht zu verlieren. Auch die Hebammen in der Charité Berlin, die extra ihre Nachtschicht verlängert haben, um die Geburt bis zum Ende zu begleiten, waren eine immense Unterstützung. Um 3 Uhr nachts kam dann noch eine Schwester und hat sich zu uns gesetzt – ich war viel zu aufgeregt, um zu schlafen, und es war schön, einfach zu quatschen. Gleich nach der Geburt haben mir eine Mütterpflegerin sowie die Hebamme zur Seite gestanden – beide hätte ich nicht missen wollen oder können. Wie stark sich Frauen und Mütter gegenseitig in solchen Situationen verbinden und unterstützen, ist phänomenal.

      Als Gründerin musstest du nach der Geburt schnell wieder in den Job. Wer hat dich auf den ersten Wegen in die Mutterschaft begleitet?

      Meine Mutter hat mich nach der Geburt eine Zeit lang immer wieder unterstützt. Mehr noch als die Hilfe fand ich diese Zeit mit uns drei Mädels aus drei Generationen unter einem Dach unglaublich besonders.Aber es stimmt: Ich war nie wirklich raus aus dem Job. Drei Tage nach der Entbindung habe ich Rechnungen überwiesen und nur eine Woche später war ich beim Board Meeting online dabei. Online geht so was halt noch, auch wenn du physisch völlig platt bist und nicht aus dem Bett kommst. Eine volle Auszeit gab es in dem Sinne nicht, obwohl die Investoren das ohne Weiteres zugelassen hätten. Aber ich wollte auch möglichst schnell ausprobieren, ob und wie das alles mit Kind funktioniert. Zurück im Büro war ich dann nach ca. acht Wochen – aber bis heute nutze ich einen guten Mix zwischen Homeoffice und Büro. Wie alle unsere Mitarbeiter*innen.

      Hast du Unterstützung im Alltag?

      Ja! Obwohl sich viele Freunde und die Familie anbieten, zu helfen, ist es mir wichtig, mein Support-System unabhängig von ihnen managen zu können. Wir müssen das ja auch alleine schaffen. Deshalb investiere ich viel in externe Hilfen und optimiere interne Prozesse, um mir mein „Leben drumherum“ leichter zu machen und Kraft und Zeit für die wichtigen Dinge zu haben: nämlich die Zeit mit meiner Tochter. Aktuell unterstützt uns z. B. ein Au-pair, das bei uns wohnt. Ich bin außerdem gerade dabei, erstmals in meinem Leben eine Hauswirtschaftshilfe einzustellen. Lebensmittel lasse ich mir häufig aus dem Supermarkt nach Hause liefern. Zudem habe ich eine Betriebskita und ein Kinderzimmer auf der Arbeit und ich bin gerade dabei, erstmals mit Kindermädchen für Ad-hoc-Einsätze/Abendbetreuungen zu sprechen. Ich probiere einfach viel aus, auch weil meine Eltern sehr weit entfernt wohnen und nicht mal eben einspringen können. Da ist es besser, sich doppelt und dreifach abzusichern. Meine Mitbewohnerin aus dem College gab mir den Ratschlag: „Go bankrupt on help.“ Und sie hatte Recht.

      Bei der Suche nach einem Betreuungsplatz in den Kitas unserer Stadt, habe ich leider die Erfahrung gemacht, dass ich als Alleinerziehende keineswegs bevorzugt behandelt werde. In meiner Stadt gibt es ein Punktesystem, welche die vielen Bewerber auf die wenigen Plätze priorisiert: Eine alleinerziehende, arbeitende Person mit einem Kind wird mit 5 Punkten gewertet. Ein arbeitendes Paar mit einem Kind mit 4 Punkten, haben sie zwei Kinder bekommen sie 7 Punkte. Obwohl bei letzterem genau so viele Kinder auf Erwachsene fallen wie bei mir als Alleinerziehende, wird ihr Bedarf höher gewertet als meiner.

      Trotz deines umfassenden Netzwerks an Unterstützung: Als wie herausfordernd hast du das erste Babyjahr als Solo-Mama erlebt?

      Es war definitiv herausfordernd, aber auch sehr erfüllend. Die persönliche Wachstumskurve ist enorm: Ich musste mir noch nie so viele neue Fähigkeiten und neues Wissen aneignen, wie in Amelies ersten zwölf Monaten. Irre, worüber man sich noch nie vorher Gedanken gemacht hat. Kein Mensch hat mir vorher gesagt, dass man gut mal 12 bis 14 mal am Tag Stillt! Gleichzeitig fand ich es aber auch sehr spannend, das alles herauszufinden. Man wächst halt an seinen Aufgaben und mit den Kleinen mit. Der Schlafmangel und das physische Eingebundensein – ja, das war und ist anstrengend. Überraschend fand ich, dass ich den Schlafmangel in der Stillzeit sogar recht gut weggesteckt habe, obwohl das sonst immer ein sensibles Thema bei mir war. Ich glaube, das liegt an den Hormonen – man ist dann so im Synch mit dem Kind, das ist mir doch leichter gefallen als ich dachte. Heute ist das ein bisschen anstrengender, denn Amelie schläft immer noch recht ungern und schlecht, und irgendwie hatte ich immer gedacht, dass nach sechs Monaten sich so was eingependelt hat. Und das mit dem nächtlichen Aufwachen und sich dann Kümmern kann ich halt nicht outsourcen. Einfach liegen bleiben oder auch mal krank sein? Das ist als Solo-Mama einfach nie eine Option.

      Die zweite Herausforderung, in die man sich vorher nicht reinfühlen kann, ist die physische Anstrengung, die mit einem Kind verbunden ist – insbesondere mit einem, das am liebsten 24 Stunden am Tag auf deinem Arm verbringt. Aber es ist nicht nur das Tragen, es ist auch die Rumschlepperei von Dingen, die die Kleine braucht, es sind die skurrilen Schlafpositionen, in denen man sich immer wieder findet, damit sie gut schlafen kann, die Mahlzeiten, die man mal wieder verpasst, und die Admin-Sachen wie Rechnungen erledigen, Einkäufe machen, Hausarbeit erledigen oder den einen oder anderen Arbeits-Call, den man dann erst aufholen kann, wenn das Kind schläft. Am Ende des Tages fühle ich mich oft, als wäre ich einen Marathon gelaufen. Ich dachte früher schon, ich sei ständig busy – jetzt weiß ich, was das wirklich ist.

      Ein Blick in euren Familienalltag: Welche Situationen erlebst du als Solo-Mum als besonders herausfordernd?

      Eine Kita zu finden, war sehr schwer bis unmöglich – leider gibt es hier keinerlei Präferenz für Alleinerziehende bzw. Solo-Mütter, arbeitende Mütter oder Geschäftsführerinnen, denen gar keine Elternzeit zusteht. Diese Benachteiligung empfinde ich als ein großes Problem, das meist dazu führt, dass diese Gruppe an Müttern zurücktreten muss oder trotz Einzeleinkommen noch tiefer in die Tasche greift. Um auf normalem Weg einen Krippenplatz zu bekommen, hätte ich mich ca. zwei Jahre vor der Schwangerschaft bewerben müssen. Das ist doch verrückt. Am Flughafen wegen des Verdachts auf Kindesentführung angehalten, ausgefragt und aufgehalten zu werden, so dass wir fast den Flug verpasst hätten, empfand ich ebenfalls als recht herausfordernd – vor allem emotional.

      Das war auf meiner ersten Reise ins Ausland, als Amelie drei Monate alt war, und ich musste allerhand Dokumente hervorzaubern, um zu beweisen, dass das Kind tatsächlich keinen Vater hat, der damit nicht einverstanden sein könnte, dass ich mit ihr nach London reise. So was passiert mir immer wieder an Flughäfen, insbesondere in der Security Line, wo ständig nach meinem Mann gefragt wird. Ich finde das immer sehr unangenehm, weil die ganze Schlange hinter mir meine Antworten mitbekommt und irgendwie vorausgesetzt wird, dass da ein Mann sein müsste. Und dann sind da die vielen kleinen logistischen Dinge, die mit einer zweiten Person einfacher sind – z. B. Auto fahren mit Baby oder abends mit dem Hund noch mal rausgehen wenn das Kind schläft oder den Keller umräumen (äußerst umständlich mit Babytrage vor dem Bauch).

      Eine Frage, die dir sicher oft gestellt wird: „Und wer erfüllt die Vaterrolle?”

      Eine spannende Frage, die bei mir fast mehr Fragen aufwirft, als ich dazu Antworten finde. Etwa: Wie definiert man denn eigentlich die Vaterrolle? Ist das eine soziale Rolle oder eine biologische? Und kann ich die als Mama wirklich füllen? Muss man diese Rolle überhaupt krampfhaft füllen? Für mich ist Vatersein eine Rolle, die nicht unbedingt biologisch einfach da ist, sondern die sich auch entwickeln kann. Meines Erachtens muss man diese Rolle einnehmen und nicht bei Geburt zugesprochen bekommen, damit man sich so nennen kann. Es gibt z. B. ja auch viele Väter, die eigentlich biologisch für diese Rolle vorbestimmt sind, diese im Umfeld des Kindes aber trotzdem nicht einnehmen. Dürfen die sich dann Vater nennen? Bedeutet für uns konkret: diese Rolle ist (noch) offen und ich versuche sie auch nicht irgendwie zu füllen. Das kann ich auch gar nicht.

      Gleichzeitig bedeutet das natürlich nicht, dass ein Vater, der in der Zukunft vielleicht dazukommt, keinen Platz in ihrem Leben findet oder keine Bereicherung wäre. Das glaube ich schon. Im Moment ist es mir aber eher wichtig, dass Männer in Amelies Leben Platz haben, die ihr wichtig sind, die eine Bezugsrolle in ihrem Leben einnehmen, ihr etwas mitgeben können, für sie da sind und mit ihr wachsen. Aktuell sind das u.a. mein Geschäftspartner, der auch Amelies Patenonkel ist, mein Bruder und mein Vater.

      Hast du schon darüber nachgedacht, wie du Amelie später erzählen wirst, wie du dich für sie entschieden hast?

      Ich glaube, das ist ein ständiger Prozess und kein einzelnes Gespräch. Ich bemühe mich jetzt schon darum, dass Amelie ihre Realität versteht und damit transparent aufwächst. Wir sind wie gesagt bereits in Kontakt mit einer Halbschwester von Amelie, die wir regelmäßig sehen und wir erzählen beiden jetzt schon, dass sie (Halb-)Schwestern sind. Wenn wir Geschichten lesen, in denen von einem Papa erzählt wird, dann erkläre ich ihr, wer bzw. was ein Papa ist und dass wir im Moment eben nur „Ami und Mami“ sind. Für die Samenspender-Geschichte ist es jetzt noch etwas früh, aber auch für die Entstehungsgeschichte gibt es statt der Bienchen-Blümchen-Bücher Spenderkinder-Eltern-Kinderbücher. Und die gehören in ihre Bücherkiste genau wie alle anderen Bücher.

      Sicher wird sie irgendwann mehr wissen wollen – warum dieser Weg, warum dieser Spender, wie das alles funktioniert hat –, und dann werde ich ihr all diese Fragen auch beantworten. Es gibt später auch viele weitere Möglichkeiten für sie, mehr über ihre Herkunft zu erfahren. Der Kontakt zum Samenspender wird sicherlich viel Aufschluss über ihre Geschichte geben. Und es gibt sogar Samenspender-Kinder-Vereine. Ich versuche, ihr für alle Altersphasen kindgerecht Informationen zu geben – so wie sie es zu diesem Zeitpunkt versteht. Ich möchte damit ihre eigene Geschichte von Anfang an zu einem transparenten Teil ihres Lebens machen. So wird sich das Stück für Stück für sie zusammenfügen und am Ende gar kein „Aha“-Moment mehr für sie sein.

      Hand aufs Herz: Hast du mit der Entscheidung, Solo-Mama zu werden, irgendwann auch einmal gehadert?

      Nachdem ich die Entscheidung einmal getroffen hatte: Nein, wirklich nie! Ich frage mich viel mehr, warum ich es nicht früher geworden bin. Natürlich gibt es Tage, an denen ich an meine Grenzen stoße. Aber die gab es genauso häufig, bevor ich Mama geworden bin. Es ist auch selten die Tatsache, dass ich ein Kind habe, um das ich mich kümmern muss, die mich dann stresst, sondern eher irgendeine Haushaltsaufgabe oder ein Logistikproblem. Sachen, die ich halt nicht gerne mache oder die in dem Moment dann zu viel auf einmal sind. Aber das hat Jeder. Ich muss echt sagen, dass 95 % der Zeit, die ich mit meiner Tochter verbringe, für mich eher eine „Batterie-Auflade-Zeit“ statt „Batterie-Entleer-Zeit“ sind.

      Welche Ratschläge kannst du anderen Frauen geben, die über eine Solo-Mutterschaft nachdenken?

      Hört auf euer Bauchgefühl, nicht auf die Ärzte, die euch sagen, dass ihr noch ganz viel Zeit habt! Oder auf die Freundin, die fest daran glaubt, dass der Richtige schon noch kommen wird. Und bleibt nicht bei dem Mann, der nicht zu euch passt, weil ihr Angst habt, dass ihr sonst die Chance auf ein Kind verpasst. Hört einfach auf euren Bauch! Der sagt euch ganz bestimmt, wann die richtige Zeit für euch gekommen ist, und welcher der beste Weg ist – niemand anderes. Wenn ihr euch heute für ein Kind entscheidet, entscheidet ihr euch nicht gegen eine Partnerschaft. Ihr trennt beides nur zeitlich voneinander. Genügend Ehen scheitern und Menschen mit Kindern finden neue Partner. Euer Plus dabei: Ihr geht in eine neue Beziehung ohne den Ex! Man kann auch die Partnersuche vom Kinderwunsch trennen – ein Partner, der eure Kinder nicht mag, käme sowieso nie für euch infrage. Es hat lange gedauert, bis das in meinem Kopf angekommen ist, aber es fühlt sich wunderbar an, wenn man es erst einmal begreift.

      Außerdem: Seht die Solo-Mutterschaft als Option – nicht als ein Muss. Wenn euer Kinderwunsch für euch klar ist, und euch der Partner fehlt, aber ihr das Gefühl habt, die Zeit rennt euch weg: Lasst das nicht einfach über euch ergehen und haltet es aus. Erlaubt euch, die Solo-Mutterschaft als eine von vielen Optionen anzusehen. Das bedeutet noch lange nicht, dass dies auch euer Weg sein wird, aber es geht darum, wie befreiend der Gedanke ist, zu wissen, dass ihr es auch selbst in die Hand nehmen könnt. Und ihr seid keiner Zeit oder Gegebenheit hilflos ausgesetzt. Das war ein unglaublich bestärkendes Gefühl für mich, das ich jeder Frau wünsche, die in so einer Situation ist.

      Geht einen Schritt nach dem anderen: Ihr müsst nicht von heute auf morgen den großen Sprung machen. Informiert euch, denkt euch da rein, redet mit anderen. Nur weil ihr euch informiert, seid ihr noch lange nicht auf einer Einbahnstraße ohne Umkehrmöglichkeit unterwegs. Aber ganz sicher ist: Ihr kommt weiter. Macht einfach kleine Schritte.

      Und setzt euch bewusst mit den „Was, wenn ...?“-Szenarien auseinander, auch wenn sich das unangenehm anfühlen mag. Versprochen: Es wird euch viel Last nehmen, wenn ihr für euch die Antworten vorweg sortiert habt. Es gibt Sicherheit, im Vorfeld zu den schwierigen Fragen bereits Antworten gesucht und gefunden zu haben. Die meisten davon werdet ihr nie brauchen, aber es geht darum, dass ihr diese Fragen erst einmal in Ruhe zur Seite legen könnt, um eure Reise unbelastet anzugehen.

      Zum Schluss: Warum war/ist eine Solo-Mutterschaft für dich und deine Lebenssituation die beste Alternative gewesen?

      Hätte ich damals gewusst, was ich heute weiß, hätte ich diesen Weg gar nicht „Alternative“ genannt, sondern für mich den präferierten Weg – also Plan A, nicht B. Mal abgesehen davon, dass ich ohne diesen Weg meine Tochter nicht bekommen hätte, so bedeutet die Solo-Mutterschaft auch viele Vorteile, über die ich mir jetzt immer mehr bewusst werde.

      Hast du Beispiele?

      Unser Leben verläuft einfach recht stressfrei: Als Solo-Mama habe ich viel Verantwortung, kann dieser Verantwortung aber auch viel leichter gerecht werden, u. a. weil ich nicht jede Entscheidung mit jemandem durchkauen muss und deshalb schnell handeln kann. Wenn ich morgen nach Kanada auswandern möchte, können wir das tun. Und das ist sehr befreiend und hilfreich, um die Unmengen an Entscheidungen, die im Alltag mit Kind anstehen, zu meistern. Dadurch, dass es bei uns nur die Mama-Tochter-Beziehung gibt, muss ich meine Aufmerksamkeit nicht zwischen zwei Beziehungen, die ihren jeweiligen Zeitanspruch hätten, splitten. Und Amelie ist keinen Meinungsverschiedenheiten oder Spannungen zwischen Partnern ausgesetzt, die es früher oder später sicher in jeder Beziehung gibt und die Kinder mitbekommen. So ist Amelie ein recht entspanntes Kind und wir machen einfach unser Ding.

      Von Freunden, die in einer Partnerschaft leben, bekomme ich oft mit, dass die zwei größten Konfliktpunkte in der Beziehung einmal die Entscheidungsfindung zu den alltäglichen Fragen ist (etwa: Darf das Kind YouTube sehen oder nicht? Darf es Obstzucker? Welche Kita soll es werden?) und zum anderen die Ansprüche an die Mithilfe des jeweils anderen. Anscheinend hat man in einer Beziehung ständig das Gefühl, dass der andere seinen Part nicht voll übernimmt und mehr tun sollte. Dieses Erwartungs-Problem habe ich einfach nicht. Ich gehe immer erst mal davon aus, dass alles mein Job ist und freue mich, wenn jemand mal hilft – aber ich erwarte die Hilfe nicht und plane sie auch nicht ein. Für eventuelle zukünftige Beziehungen bedeutet das am Ende auch, dass der Mann, der vielleicht einmal zu uns stößt, wirklich als Mensch gewollt ist und zu uns passt – und nicht nur dabei ist, weil wir ihn für irgendetwas brauchen. Jetzt mal ehrlich: Wie viele Beziehungen gibt es, die nur zusammen sind, weil die Partner Angst haben, allein zu sein oder weil ein Kinderwunsch da ist? Diese Art der Familie werden wir nie haben müssen, weil wir einander kein Mittel zum Zweck sind und jetzt schon wissen, dass wir in unserer kleinen Familie happy sind.

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