Freundschaft – das Beste, was es gibt auf der Welt
„Ein Freund, ein guter Freund, das ist das Beste, was es gibt auf der Welt“, sangen einst die Comedian Harmonists. Was ist dran an dieser auch heute immer noch viel zitierten Behauptung? Und was macht wahre Freundschaft aus? Im digitalen Zeitalter mit all seinen sozialen Netzwerken wird das Wort Freund oder Freundin fast inflationär verwendet – obwohl es sich doch bei den meisten Kontakten streng genommen eher um Bekanntschaften handelt. Und was nützen tausend „Freunde“ auf Facebook oder Hunderte Follower auf Instagram oder Twitter, wenn nicht einer darunter ist, der Zeit hat, dich in den Arm zu nehmen, wenn du Kummer hast, oder der Lust hat, mit dir gemeinsam etwas in der realen Welt zu erleben? Ein guter Freund ist tatsächlich viel wert. Warum das so ist, ob der mediale Austausch Freundschaften eher stärkt oder eher schwächt, wie du gute von schlechten Freunden unterscheiden kannst und wie du neue Freunde oder Freundinnen gewinnst, erfährst du im Folgenden.
Was bedeutet Freundschaft?
Schon in der Antike haben sich die Gelehrten mit dem Thema Freundschaft und Wertschätzung befasst. Ihre Erkenntnisse sind bis heute aktuell. Das wird vor allem mit Blick auf das Werk des griechischen Philosophen Aristoteles (384-322 v. Chr.) deutlich. Er unterscheidet zwischen drei Arten der Freundschaft: Neben der vollkommenen Freundschaft gibt es aus seiner Sicht auch die rein auf wechselseitigen Nutzen und persönliches Vergnügen zielenden Freundschaften. Während die letztgenannte Art lediglich dazu dient, dass jeder Partner möglichst viele Vorteile für sich aus der Verbindung zieht, ist nach der Definition von Aristoteles die vollkommene oder auch wahre Freundschaft von Selbstlosigkeit geprägt. Hierbei geht es in erster Linie darum, dass man mit einem anderen befreundet ist, weil man ihn um seiner selbst willen schätzt und mag – wenn diese Wertschätzung wechselseitig besteht, man dann noch zusätzlich von gegenseitiger Hilfe profitiert und zusammen Spaß und Abwechslung hat, ist die Verbindung zumindest nach der Formel von Aristoteles nahezu perfekt. Oder wie der Philosoph selbst einst gesagt hat: „Freundschaft, das ist eine Seele in zwei Körpern.“
Wie wichtig sind Freunde und Freundinnen?
Freunde steht man nahe und vertraut ihnen Privates an. Nach Erkenntnissen des Hamburger Instituts für Sozialforschung verbringen rund zehn Prozent der Deutschen ihre Lebenszeit hauptsächlich im Freundeskreis. Heutzutage, da sich das Familienleben weg von der Großfamilie hin zum Singlehaushalt stark gewandelt hat, sind sie wichtige Bezugspersonen. Oftmals stehen sie sogar noch vor der Verwandtschaft an erster Stelle im Leben. Die Deutschen haben im Schnitt drei enge Freunde. Das ist das Ergebnis einer Umfrage des Marktforschungsinstituts Statista vom Juli 2019 unter tausend Menschen im Alter von 18 bis 78 Jahren. Männer kommen dabei im Mittel auf 3,6, Frauen auf 2,9. Jeder Vierte (27 Prozent) gibt an, sogar vier und mehr Freunde zu haben. In Ostdeutschland wird mit zehn Stunden pro Woche am meisten Zeit mit Freunden verbracht. Dann folgt der Norden mit neuneinhalb Stunden. Im Westen sind es neun Stunden, im Süden dagegen nur siebeneinhalb. Trotz der Unterschiede waren sich fast alle Befragten (96 Prozent) darin einig, dass gemeinsam verbrachte Zeit die Freundschaft verbessert.
Wahre Freundschaft – was macht sie aus?
Auch im 21. Jahrhundert sind den Deutschen in Bezug auf Freundschaften traditionelle Werte wichtig: Verlässlichkeit, Ehrlichkeit, Offenheit und die Bereitschaft, bei Problemen mit Rat und Tat zur Seite zu stehen und zu trösten. Sympathie ist eine Grundvoraussetzung für das Kennenlernen neuer Menschen und das Schließen von Freundschaften. Schon im Kindergarten knüpfen wir die ersten freundschaftlichen Kontakte. Doch wir leben in einer mobilen Welt, die von Job- und Ortswechseln bestimmt ist. Dabei ist das Kennenlernen neuer Leute kein Problem, doch wirklich tiefe Freundschaften entstehen dabei nicht immer wie selbstverständlich. Oft bleibt es bei eher oberflächlichen Bekanntschaften. Die Hektik des Alltags lässt es manchmal gar nicht zu, sich regelmäßig auszutauschen, geschweige denn zu treffen. Freundschaften aber wollen gepflegt werden. Und zwar von beiden Seiten. Sonst schlafen sie ein. Das passiert besonders dann, wenn Interessen und Lebenswege auseinanderdriften und das gegenseitige Interesse nachlässt. Die Unterschiede sind irgendwann größer als die Gemeinsamkeiten.
Wie bewahren wir Freundschaften?
Zwar haben wir – nicht zuletzt auch geprägt von medialen Vorbildern wie der Serie „Sex and the City“, dem französischen Kinohit „Ziemlich beste Freunde“ oder der Sitcom „Friends“ – individuelle Vorstellungen von einer echten Herzensfreundschaft. Doch auch wenn das Internet und der Buchmarkt vor Tipps und Ratschlägen zu dem Thema förmlich übersprudeln, gibt es doch kein Patentrezept. Klar ist lediglich, dass auch Freundschaft wie jede andere Beziehung mit Arbeit verbunden ist: Sehnst du dich nach einer vertrauensvollen Freundschaft, musst du auch selbst bereit sein, etwas für diese Verbindung zu tun. Das bedeutet:
- Verabredungen einhalten, auch wenn du vielleicht müde und lustlos bist.
- Zurückrufen, wenn deine Freunde versucht haben, dich zu erreichen.
- Zuhören – auch wenn das Thema dich vielleicht nicht interessiert.
- Offen und ehrlich sein, auch wenn das bedeutet, dass es Konflikte geben kann.
- Verzeihen, auch wenn du dabei möglicherweise über deinen eigenen Schatten springen musst.
- Sich regelmäßig persönlich treffen und miteinander reden, anstatt nur über Messenger-Dienste zu kommunizieren, weil es vermeintlich bequemer ist.
Freundschaft heute: der Einfluss sozialer Medien
Kann der Austausch unter Freunden in sozialen Medien, wie etwa über Messenger-Dienste, gemeinsame Zeit in der realen Welt ersetzen? Gerade jüngeren Menschen, insbesondere den Vertretern der sogenannten Generationen Y und Z, wird Bindungsangst oder Beziehungsunlust nachgesagt. Sie suchten vielfach Likes und Followern statt Freunden oder Partnern: sagen Soziologen und Psychologen. Als Generation Y, auch Millennials oder Generation „Me“ genannt, bezeichnen Soziologen all jene, die zwischen 1980 und Mitte der Neunzigerjahre geboren wurden. Unter die nachfolgende Generation Z fallen Menschen, die um die Jahrtausendwende zur Welt kamen. Beiden Gruppen ist gemein, dass sie mit Selfies, Posts und Kurznachrichten ihr soziales Umfeld zum Teil minutiös am alltäglichen Leben teilnehmen lassen. Psychologen sehen darin auch eine Chance zur Festigung von Freundschaften. Die Wissenschaft ist sich darin einig, dass offline begründete Freundschaften über soziale Netzwerke vertieft und erhalten werden können. Auf lange Sicht aber könnte die innere Verbundenheit auf der Strecke bleiben, wenn Klicks gänzlich den gemeinsamen Kaffee ersetzen. Wissenschaftler, Coaches und Ratgeberautoren sind sich einig: Echte Freundschaften brauchen echte Begegnungen.
Wenn Freundschaften zu zerbrechen drohen
Läuft es in einer Freundschaft über einen längeren Zeitraum nicht mehr so gut, lassen viele die Verbindung oft einfach auslaufen. Der Grund ist nicht zuletzt Hilflosigkeit. Denn für Beziehungsstress in der Freundschaft gibt es im Gegensatz zu Ehe und Partnerschaft kaum Verhaltensregeln. Gerade unter Freundinnen ist das Harmoniebedürfnis sehr ausgeprägt. Frauen legen bei Unstimmigkeiten eher eine Streitvermeidungsstrategie an den Tag. Das macht die Freundschaft letztlich nur noch fragiler. Psychologen raten dazu, offen miteinander umzugehen. Dabei hilft es, sich einen festen Termin in der Woche oder im Monat freizuhalten, an dem man sich trifft und sich von Angesicht zu Angesicht unterhält. Siehst du persönlich keinen Sinn mehr darin, eine Freundschaft aufrechtzuerhalten, kannst du dich dezent zurückziehen, indem du nicht mehr auf Einladungen zu Treffen oder Nachrichten und Anrufe reagierst. Bei einer langjährigen Freundschaft, die dir einmal viel bedeutet hat, ist es jedoch nur fair, wenn du offen sprichst und dein „Schlussmachen“ begründest. Ist ein schlimmer Streit der Grund für das Ende einer Freundschaft, raten Psychologen dazu, auf einem Trennungsgespräch zu bestehen, ähnlich wie bei Liebespaaren, die sich auseinandergelebt haben. Das hilft dir und deinem Freund, mit Wut und Kränkungen besser umzugehen.
Mit dem oder der Ex befreundet sein – geht das?
„Lass uns Freunde bleiben“ – dieser Vorschlag kommt in einer Zweierbeziehung meist von demjenigen, der sich trennt. Er dient nach Ansicht von Paartherapeuten in erster Linie dazu, dem anderen Partner Schmerz zu ersparen und das eigene Gewissen zu beruhigen. Auch fehlender Mut, einen endgültigen Schlussstrich zu ziehen, kann die Ursache sein. Das ist kein stabiles Fundament für eine Freundschaft. Dagegen räumen Paartherapeuten einer Freundschaft nach dem Liebesaus gute Chancen ein, wenn das Paar nur kurz zusammen war und sich keine tiefgehende Liebe zwischen ihnen entwickelt hat, sondern mehr eine große Sympathie. Auch wenn Partnern sich einvernehmlich trennen, weil bei beiden die Leidenschaft füreinander verschwunden ist, hat ein freundschaftliches Verhältnis durchaus Zukunft.
Falsche Freunde – daran erkennst du sie
Wahre Freundschaft zeigt sich in der Krise. Dann erlebt man Vertrautheit – oder eben nicht. Wenn es dir emotional oder gesundheitlich schlecht geht, leiden gute Freunde mit dir, bedauern dich aber nicht nur, sondern bieten dir auch ihre Hilfe an. Echte Freunde sagen dir auch ihre Meinung und reden dir nicht nach dem Mund – selbst auf die Gefahr hin, dass dir das nicht gefällt. Finden deine Freunde immer alles toll, was du machst, solltest du also skeptisch werden. Das gilt allerdings auch dann, wenn sie ständig an dir herumkritisieren. Denn die Basis für echte Freundschaft bilden Sympathie, Zuneigung und Interesse an deiner Person.
Freunde und Freundinnen finden – wie geht das?
Kinder haben es in der Regel leicht, Freundschaften zu knüpfen. Sie sind unkomplizierter und unvoreingenommener. Wie aber finden wir als Erwachsene neue Freunde?
- Bewege dich nicht nur innerhalb deines gewohnten Umfelds, sondern suche neue Orte und Gelegenheiten, wo du unbekannte Menschen triffst (Vereine, Partys, Kulturveranstaltungen oder Reisen)
- Gemeinsame Hobbys sind eine gute Basis für eine Freundschaft. Anschluss an eine Gruppe Gleichgesinnter hilft dir, Beziehungen aufzubauen und zu festigen, etwa über Sprach- und Sportkurse, im Chor oder in einer Band.
- Öfter mal Small-Talk halten. So verlierst du die Scheu, mit Fremden ins Gespräch zu kommen (in der Supermarktschlange, im Zugabteil oder im Fahrstuhl).
- Alte Freundschaften wiederbeleben: Das kann klappen, wenn ihr euch nach einer Phase, in der die Lebenswege unterschiedlich verlaufen sind, wieder annähert. Zum Beispiel, wenn ihr wieder in derselben Stadt wohnt oder die Kinder älter sind und man wieder mehr Zeit zum Treffen hat.
Wahre Freundschaft – eine Investition fürs Leben
Die Familie verliert an Bedeutung. Doch das urmenschliche Bedürfnis, sich mit vertrauten Menschen zu umgeben, ist ungebrochen. Freundschaft hat in unserer Gesellschaft daher einen hohen Stellenwert. Dank Internet war es noch nie so einfach, Freundschaften am Leben zu erhalten. Doch bei aller medialen Verbundenheit darf die innere nicht auf der Strecke bleiben. Dafür müssen wir auch ein wenig Zeit und Arbeit aufbringen. Echte Freundschaften zu pflegen bedeutet vor allem, sich regelmäßig zu treffen. Gemeinsame Erlebnisse und intensive Gespräche schweißen zusammen. Ein vertraulicher Umgang miteinander erlaubt es außerdem, sich gegenseitig zu kritisieren und zu streiten. Offenheit ist wichtig für eine tiefergehende Verbindung. Alles andere sind oberflächliche Bekanntschaften, die dir vor allem dann nicht viel bringen, wenn du mal in der Klemme steckst oder Kummer hast. Ein echter Freund ist dagegen immer für dich da – in guten wie in schlechten Zeiten.