Kennen Sie das auch aus eigener Erfahrung?
Mein Mann und ich haben das reproduktionsmedizinisch Mögliche in Deutschland ausgeschöpft und uns damals jedoch gegen weitere Maßnahmen im Ausland entschieden. Als ich das einmal einer Freundin erzählte, wurde mir vorgehalten, dass „mein Kinderwunsch dann ja auch nicht so groß sein könne, wenn ich nicht ALLES dafür tun würde“. Mich hat das zutiefst schockiert und verletzt. Daraus habe ich für mich den Schluss gezogen, dass es manchmal besser ist, Dinge für sich zu behalten.
Bei vielen stellt sich dann doch irgendwann nach erfolgreicher Behandlung eine Schwangerschaft ein. Nicht immer bleibt diese Schwangerschaft. Wie können diese Paare mit der dann sicher noch größer werdenden Unsicherheit umgehen? Immerhin wissen sie ja, dass sie schwanger werden können – aber reicht das?
Eine Fehlgeburt ist eigentlich immer ein schlimmes Lebensereignis und ich kenne keine Frau, die nicht sehr darunter gelitten hätte. Gleichwohl glaube ich, dass für eine Kinderwunsch-Frau, die möglicherweise sogar auf die Unterstützung einer Kinderwunschklinik angewiesen war, um überhaupt schwanger werden zu können, dieser Verlust noch einmal eine eigene, zusätzliche Dimension bekommt. Denn sie hat sehr viel für diese Schwangerschaft auf sich genommen. Wenn diese dann in einem Verlust des Kindes endet, ist die Fallhöhe sehr hoch. Ich glaube, dass jeder Zeit braucht, um eine solche Erfahrung zu verkraften. Wer nach einer Kinderwunsch-Behandlung ein Kind verloren hat, dem rate ich, achtsam mit sich selbst umzugehen und nicht sofort den nächstmöglichen Versuch zu machen. Es ist besser, erst einmal die Trauer zuzulassen und neue Kraft zu tranken.
Beim Thema Kinderwunsch geht es nicht immer nur um den Wunsch nach dem ersten gemeinsamen Kind – sondern auch um den nach Geschwistern. Welche Unterschiede stellen Sie hier fest zur Beratung von Erst-Eltern?
Ich begleite und unterstütze oft Paare, bzw. vor allem Frauen, die bereits ein Kind oder gar Kinder haben und die dennoch sehr unter darunter leiden, dass sie kein Geschwisterchen bekommen. Oft genug begegnet diesen Menschen der Satz „Seid doch mal dankbar für das, was ihr habt“. Meine Antwort ist hier immer, dass ich glaube, dass sie genau das sind – dankbar für ihr Kind – sonst würde sie sich ja kein Geschwisterchen wünschen. Manchmal erlebe ich, dass der Geschwisterkinderwunsch sogar schwerer wiegt als der erste Kinderwunsch – eben weil es schon einmal geklappt hat und sie ganz genau wissen, was ihnen vorenthalten wird. Mit den Betroffenen arbeite ich intensiv daran, dass sie für sich verstehen, weshalb sie den „leeren Stuhl am Esstisch“ stets vor Augen haben und die Lücke in ihrem Herzen so spüren. Denn ich bin zutiefst davon überzeugt, dass man erst die eigenen Wirkungsweisen und Zusammenhänge verstehen muss, bevor man sich um einen tragfähigen, authentischen und damit oft auch anderen Umgang mit dem unerfüllten Kinderwunsch beschäftigen gehen wir Schritt für Schritt durch diesen Prozess. Wenn wir gemeinsam verstanden haben, was diese Menschen antreibt, finden wir auch individuelle Lösungen, wie sie mit der Sehnsucht nach einem weiteren Kind umgehen können.